Freitag, 6. August 2010

ANDREW GRAHAM. DER Soundtrack gegen Ray Ban Sonnenbrillen

Wenn jemand an einem Tipp interessiert wäre:








Potzblitz. Ich muss noch immer ein wenig ungläubig den Kopf schütteln! Was ist das denn hier, zwischen all dieser sattsamen Harmlosigkeit auftauchend, die so schöngesichtig das Web 2.0 überstrahlt? Ihr wisst schon, was ich meine: Dieses NICHTS aus aufgeräumten Blogseiten mit vereinzelten Digitalbildern, die sich als Schnappschüsse gerieren und dabei aber diese ganz spezielle Ästhetik aus 2010er Ekklektizismus pushen wollen- buntgerahmte Sonnenbrillen, junge Menschen mit schönen Gesichtern, inszeniert in lichtdurchfluteter Unbekümmertheit. Es sieht immer ein wenig nach Urlaub aus. Hässlich ist es nie auf all diesen Seiten. Und dazu läuft dann der Soundtrack unseres Lebens, die neue Unbekümmertheit. Sie gibt sich zart und schön, ist niemals zu dick oder schlecht angezogen. Sie nennt sich WASHED OUT, DUM DUM GIRLS oder BEST COAST. Sie klingt gut und wird auf guten Labels veröffentlicht. Was soll ich sagen? Auch ich mag sie. Begreift sich Musik als Pop, dann sollte sie eben das vermögen- nämlich (fast) jeden zu kriegen.
Der Haken bei der Sache ist nur: Ganz so jung und so hübsch fühle ich mich dann doch nicht mehr, das mir das Verweilen am junggeglaubten Moment genügte. Recht schnell fällt auf: Diese Platte dreht sich im Kreis, und mit ihr drehen sich auch gleich all die schnell folgenden Sequels. BEST COAST ist ein gutes/schlechtes Beispiel dafür. Redundanz, zu der sich dann auch noch marktwirtschaftliche Gleichgültigkeit dazugesellt. In so einem Fall gibt es dann auch mal gerne schnell 4,5,6 schnell aufeinander erscheinende Releases. Beispielsweise die Single, die man als "Gratis"-Dreingabe erhält, wenn man sich die neuen 350,-$ Kopfhörer von XY kauft. Oder der Track, den der coole Konsument von der coolen Sportschuhmarke sich von den coolen BEST COAST gratis im Webshop herunterladen kann.
Das alles ist nicht weiter tragisch. Die Musik wird nicht schlechter dadurch. Gewitzter oder eleganter aber auch nicht! Und nach nur einer kurzen Halbwertszeit ist klar: Multiperspektivität geht anders. Und so bleiben all diese Bands wie ein Strandurlaub haften: Schön, aber merkwürdig bewegungsarm.

Und genau in diese ätherisch-prüde Jugendlichkeit kommt ein schlaksiger Typ hereingestolpert. Auch er betreibt ganz offensichtlich gerne den Müßiggang. Nur scheint der nicht so erdrückt vom Wohlstand des Elternhauses und des Freundeskreises zu sein. Überhaupt scheint er nicht allzuviel mit Bonding und Peers am Hut zu haben. Andrew Graham ist nichts geringeres als DER popmusikalische Spitzbube, der durch das Biotop brachliegender Seventies-Sounds stakst und sich unbedarft seiner Umgebung bedient. Wenn er in den Lumpen nach Velvet Underground wühlt, ja, dann hören wir dabei die denkbar schönste Neuinterpretation Lou Reeds. Das Piano schlurft und schlendert über die Tasten- und plötzlich stehen dort Melodien im Raum, die die Beatles gerne für die Verwirklichung ihrer Idee von Yellow Submarine benutzt hätten, so kindlich unbekümmert überstrahlt das Instrument die eigene Überraschung: "Uuups! Wie habe ich das denn geschafft!?!" Das Album funktioniert gerade darin so grandios, dass es keinerlei Ambitioniertheit anmeldet. Musik für die Titelseite, mitsamt achtseitiger popkultureller Laudatio? Nein, nein- hey Leute, wir sind einfach nur ein paar Typen aus Columbus, Ohio. Wir haben einfach nur viel Zeit und ein paar Ideen... Was da aber so linkisch und unschuldig vor sich hinpfeifend daherkommt, ist das grandioseste, was auf dem ohnehin feinen MEXICAN SUMMER Label veröffentlicht wurde. Allein dieser wunderbar trockene Schlagzeugsound triebe Paul McCartney die Tränen in die Augen und er startete wieder seine ewig gleiche Leier, die niemand mehr so recht hören mag, "Let It Be" sei von Phil Spector vollkommen vergeigt worden, und er, ja er, er hätte GENAU SO EINEN SOUND haben wollen, wie auf dieser Platte dieser jungen Rotzlöffel...
ANDREW GRAHAM AND THE SWARMING BRANCH. Die beste Platte, die man zur Zeit hören kann.

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