Donnerstag, 13. Juni 2013

Zwei Minuten Wunder

Mal was ganz anderes. Ein Erinnerungsfetzen, der eben hier vorbeiradelte und mir augenzwinkernd "HALLO!" zurief. Jetzt - nach Wiederkehr der Erinnerung - kann ich nur zu gut seinen verschmitztes Lächeln verstehen. "Pass auf, was ich dir hier für eine Bombe aus der Vergangenheit mitgebracht habe. Halte dich lieber fest..."  Vielleicht hat ja noch jemand dieses Ereignis in ganz ähnlicher Weise erfahren, damals 1995:
Im Kinosessel sitzen. Die Vorrunde im Dunkeln, bevor die Lichter noch einmal aufhellen. Es ist die kurze Zeitspanne des ewig dahinplätschernden Stromes gleichsam zusammengeschnittener Trailer, der am Kinobesucher laut und bunt und schnell und gerade deswegen in seiner so-Beschaffenheit daherrauscht und murmelt.
Dann plötzlich das: Aus dem Dunkel kriecht Musik, macht die Leinwand hell, lässt die Bilder jedoch in einem Ernst undeutlich werden, sie verzerren und verschwimmen in merkwürdiger Eleganz. Ein ungutes Gefühl kommt auf. "Spoiled children soon to fall / Freedom is the lie we live/ we will wait for tragedy / and scatter helpless to the fire". Dazu zieht die schönste Jugend in slow motion daher, verloren zwischen dem Feierabendverkehr. Begrüßungsrituale und Küsse, ausgelassenes Lachen und Necken. In Echtzeit huschten derlei Bilder vorbei und schwänden nicht weiter beachtet ins Vergessen. Hier? Nehmen Zeitlupe und Musik aller Jugendlichkeit sofort und unwiderbringlich jegliche Unschuld.
Und trauern um deren schöne Züge. Das tun sie in dem denkbar schönsten Schwanengesang.  Die Darstellung ist die des Erwachsenen, der auf die Jugend blickt. Und sofort unter Schock steht, die brutale Schönheit nicht erträgt, sich fragt, was nun durchtriebener ist am Leben- die Rohheit, die schon im jugendlichen Glanz verborgen lauert? Oder der Moment, in dem all dies sang- und klanglos in der Vergangenheit zurückbleibt und uns vergisst?
 
Und der Schock kippt prompt. KRACH! Gitarren zerstören den weihevollen Reigen der jugendlicher Schönheit, Geschwindigkeit stößt das Bild in etwas, das passiert und vergeht, jeglichen Platz und Luft einnimmt, außer dem Moment alles nichtig macht. Eben diesselbe Schönheit geht in einem Feuerwerk der tumben Rohheit auf. Die filigranen Züge schwinden. Sie haben keinen Platz in diesem Leben, sondern existieren nur in der Retrospektive eben eines Menschen, der eine Kamera hält. "Daddy Never Understood" zerstört genüsslich im Stakkato allen Anschein, indem der Song synchron zum Bild einfach ziellos um sich schlägt. Tack tack tack! Das ist so brutal wie mitreißend. Die Bilder tauschen sich rauschhaft aus. Das plötzlich auftauchende Mellotron in der Musik friert wieder die Schönheit der Augenblicke ein, zeigt, dass eben diese auch noch hier steckt. Selbst hier ist sie noch unwiderstehlich, unerschöpflich anziehend, alles vereinnahmend, höchst lebendig und todbringend. Diese Jugend. Sie haftet an den Menschen wie eine Krankheit.

Der schönste Moment jedoch war das Erlischen im Dunkel des Kinosaals und das prompte Hereinstolpern des nächsten Filmtrailers, mitsamt den immergleichen Oberflächen, den selben Schnitten und Offs, die nach diesem kurzen Augenblick purer Magie ins Ohr quäkten. Es hatte schon etwas Traum-haftes, was da noch eben vor ein paar Momenten passiert ist...

Beim Wiederanschauen des Trailers hat es mir erneut den Atem geraubt. Diese zwei Minuten erzählen alles, nach Zuschauen eben dieser fühle ich mich ausgelaugt und merkwürdig erregt zugleich, es nimmt mir den Atem und verleiht eben solchen. Wenn man mich fragte: Ein verdammtes Wunder sind sie, diese zwei Minuten.








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